Bei Bild-Recherchen nach außergewöhnlichen Orten im Elsass, ploppten immer wieder diese hellblauen, tief in den Fels eingelassene Häuser auf. Ich dachte zunächst, sie hätten sich in meine Suchergebnisse verirrt, merkte aber bald, dass es diese zauberhaften Häuser tatsächlich gibt: die Maisons des Rochers de Graufthal.

Als ich noch klein war, musste meine Mutter mich ständig suchen, denn meine liebste Beschäftigung war das Höhlen bauen. Für mich gab es nichts schöneres, als eine Wolldecke zu spannen und mich mit einem Buch oder meinen Tupperdosen, mit denen ich „Küche spielte“, darunter zu verkriechen.

Deswegen war ich seit der Planung für unseren Besuch der Felswohnungen im Elsass schon ganz aufgeregt und gespannt, wie die Menschen es es sich dort wohl muckelig gemacht haben.

Maisons des Rochers de Graufthal

Ein Besuch in den Elsässer Höhlenwohnungen

Ich ziere mich ein wenig, das hübsche Auberge Le Meisenberg zu verlassen. Es ist einfach zu schön hier. Jasper und ich sitzen am liebevoll gedeckten Frühstückstisch im Hinterhof. Über uns hängen Weinreben und die Sonne versucht gerade über die Dachgiebel zu klettern. Es nützt nichts, wir müssen los; schließlich warten noch mehr Abenteuer im Elsass auf uns.

Heute ist ein besonders heißer Tag. Weil weder Jasper noch ich Klimaanlagen-Luft mögen, kurbeln wir schnell alle Fenster runter. Trotz der frischen Sommerluft, die nun quer durch’s Auto weht, klebt mein T-Shirt am Rücken. Wir drehen einfach die Musik ein paar Dezibel höher und konzentrieren uns darauf.

Als wir in Graufthal ankommen, sind wir halb geschmolzen. Schon von Weitem sehen wir das große Felsmassiv, zu dem wir wollen. Wir folgen den Schildern, die uns zu den Maisons des Rochers de Graufthal führen. Japser lenkt den Wagen auf einen Schotterparkplatz.

Maisons de Rochers de Graufthal

An einem Wohnhaus vorbei, gehen wir zu den Treppen, die uns zu den Höhlenhäusern führen. Gerade habe ich hinter der Gardine noch eine Katze verschwinden sehen, da stehe ich schon direkt am Fuße des Felsberges mit den steinigen Behausungen.

Eine alte Steintreppe führt hinauf zu einem kleinen Holzhaus, in dem wir die Eintrittskarten für jeweils 2,50 EUR bekommen. An den gußeisernen Geländern am Weg, der mehr ein Felsvorsprung ist, hängen Blumentöpfe voll mit roten und weißen Geranien. In den Fenster der blauen Häuserfassaden schaukeln weitere Blumen sanft im Wind.

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Von der Notunterkunft zum muckeligen Zuhause

Im 17. Jahrhundert war das Elsass von vielen Kriegen gekennzeichnet. Auch das nahegelegene Kloster wurde eines Tages zerstört. Einige Familien der Gegend bauten schließlich Häuser aus den Ruinen des Klosters. Weniger wohlhabende Familien verkrochen sich in den halbwegs witterungsgeschützten Felsvorsprüngen. Zuerst wurden die heutigen Felshäuser als Lagerräume oder Dachböden benutzt, bis sie schließlich immer weiter ausgebaut wurden.

Ab dem Jahre 1760 wurde begonnen, aus den Lagerräumen Wohnungen zu machen. Immer weiter wurden die Behausungen ausgebaut. Als ich durch den Türrahmen trete, habe ich das Gefühl, mitten in einem schönen kleine Cottage zu stehen.

Im ersten kleinen Raum ist ein Herd, im zweiten ein Esstisch und ein großes Bett. Hier schliefen seinerzeit die Eltern. Die Kinder schliefen im ersten Stock, neben dem Heu- und Kornlager.

Maisons de Rochers de Graufthal

Der Archäologe Robert Forrer begann 1899 mit weiteren Höhlenausgrabungen, was ab Anfang des 19. Jahrhunderts Touristen in die in die Gegend von Graufthal lockte. Die Klosterruinen, aber auch die Erzählungen von den Felswohnungen, haben die Neugier vieler Reisender geweckt.

Im Jahre 1931 gab es einen tragischen Unfall. Die Decke eines der Häuser kollabierte. Der 88jähriger Besitzer erlitt einen riesengroßen Schock und starb wenige Wochen später. Alleine die Ottermann Schwestern blieben weiterhin hier wohnen. Madeleine, die ältere der beiden, starb im Jahre 1947 im Alter von 89 Jahren.

Maisons de Rochers de Graufthal

Catherine, die wegen ihrer Leidenschaft für ihre Zuhause Felsenkäthe genannt wurde, bliebt in ihrer Maison des Rochers wohnen. Sie liebte es, Gäste zu empfangen. Stolz erzählte sie von ihrem Leben im Felsen, wenn sich ein neuer Gast zu ihr an den Tisch setzte. Catherine lebte weitere elf Jahre in der Höhlenwohnung, bis sie schließlich im Jahre 1958 verstarb. Mit ihr starb somit die letzte Bewohnerin der Höhlenhäuser.

In einem Wohnzimmer entdecke ich ein Bild von Felsenkäthe. Ich hätte mich gerne auf einen Kaffe mit an ihren Esstisch gesetzt und ihren Geschichten vom Leben in den Felshäusern gelauscht.

Maisons de Rochers de Graufthal
Felsenkäthe Maisons de Rochers de Graufthal

Der Besuch der Maisons des Rochers de Graufthal fand im Rahmen vom #FrenchCultureAward. Vielen Dank Atout France, dass ich ein Teil dieser Aktion sein durfte!