Aufgewachsen bin ich im nördlichen Niedersachsen. Berge waren für mich viele Autostunden und Michael Jackson Bad Album Wiederholungen entfernt. Ich mochte die Berge, besonders in ÖSTERREICH. Hätte ich geahnt, dass es im südlichen Niedersachsen wunderschöne Wandergebiete gibt, hätte ich meine Großeltern vielleicht gebeten, nicht so weit zu fahren. Allerdings könnte ich dann auch nicht jeden Hauch von Liberian Girl auswendig. Das wäre zu verkraften, aber das Weserbergland hätte ich sehr gerne schon früher kennengelernt.
So nutze ich also jetzt die Zeit, um hier ausgiebig durch die Natur zu spazieren, etwas über nachhaltige Landwirtschaft in Urwäldern zu lernen, auf die hohen Aussichtsfelsen zu klettern und darüber zu sinnieren, warum eine Alltagsflucht ins Weserbergland sich immer wieder lohnt.
Der Naturpark Solling-Vogler
Im Herzen des Weserberglands liegt der Naturpark Solling-Vogler, der eine Vielzahl unterschiedlicher Lebensräume für Tiere und Pflanzen bietet. Ausgedehnte Wälder erstrecken sich bis über die Grenzen des Parks, durchzogen von klaren Bächen und urtümlichen Mooren.
WILDPARKHAUS
Wildpark 1
37603 Holzminden
Öffnungszeiten: Mai – Oktober täglich 9:00-18:00 Uhr, November – April täglich 9:00-16:00 Uhr
Eintritt: frei
Wildpark
Eintritt: 6,50 EUR
Ein guter Ausgangspunkt für Erkundungen in der Region ist das Wildparkhaus in Holzminden. In der kostenlosen interaktiven Ausstellung erfahren Besucher alles über die verschiedenen Lebensräume und Naturprojekte des Naturparks Solling-Vogler.
Direkt neben dem Wildparkhaus liegt ein Wildpark mit tiergerechten Naturgehegen, die den natürlichen Lebensräumen der Tiere entsprechen. Rothirsche, Wildkatzen, Waschbären, Luchse und Wölfe, die des nachts laut durch den Wald heulen, sind hier zu Hause.
Mich hat allerdings besonders die Geschichte des Hutewald-Projekts fasziniert, weswegen ich den Park links liegen lasse und mich direkt auf den Weg zum Hutewald mache.
Nachhaltige Landwirtschaft im Hutewald
Der Hutewald liegt etwa 15 Autominuten vom Wildparkhaus entfernt. Ich treffe mich an einem Picknickplatz mit dem Forstwirt Frank. Er wartet mit einem prall gefüllten Picknickkorb auf mich. Gerade schneidet er fingerdicke Scheiben von der Mettwurst ab. Während wir Brötchen mit regionalen Wurstspezialitäten verdrücken, erzählt er mir von dem Hutewald-Projekt.
Grasende Rinder auf eingezäunten Wiesen ist ein Bild, was die Bauern sich vor 200 Jahren nicht hätten vorstellen können. Damals wurden die Tiere zum Fressen in die Wälder geschickt. Erst als sich die Massentierhaltung entwickelte, mussten weite Teile des Waldes den Tierweiden weichen. Das hatte leider zur Folge, dass auf den kahlen Weideflächen nur artenarme Vegetation wuchs.
Das Hutewald-Projekt möchte zu der ursprünglichen Tierhaltung zurückkehren. Auf knapp vier Hektar Land wird nun getestet, was passiert, wenn sich der Wald hier wieder natürlich entfaltet, während Heckrinder und Exmoor-Ponys in ihm grasen. Das Ergebnis ist verblüffend: schon nach wenigen Woche gab es einen Anstieg der Population verschiedener Käferarten und kleinen Pflanzen. Die Tiere sorgen schließlich auch für natürliches Düngemittel.
Das möchte ich mir unbedingt näher ansehen. Der Hutewald ist nur durch ein paar Gatter von den angrenzenden Wäldern getrennt und für die Öffentlichkeit zugänglich. Hunde dürfen hier aber nicht mitgeführt werden, da die Rinder und die Ponys frei umher laufen.
Schon nach wenigen Minuten, als ich mich gerade über das Plätschern eines Bachlaufs freue, höre ich Geäst knacken. Zwei wilde Ponys heben ihre Köpfe zum Gruß. An einer Lichtung sehe ich riesige Greifvögel über den Wipfel kreisen, aber einem Auerochsen bin ich auf meiner kleinen Wanderung durch den Hutewald leider nicht begegnet. Sie haben sich zu gut versteckt.
Unter Tage und über den Wolken
Durch das ganze Weserbergland windet sich auf 13 Wander-Etappen der Weserbergland-Weg. Ich begebe mich heute auf einen kleinen Teilabschnitt davon und wandere von Schaumburg aus zur Schillat Höhle und weiter bis zum Hohenstein Felsen.
Mein Weg führt mich wieder durch dichten Wald. Es raschelt überall in den Büschen. Immer wieder höre ich kleine Tiere vor mir weg huschen. Der Weg ist etwas hügelig. An einem kleinen Abhang tippel ich in kleinen Schritten einen Abhang hinunter und hoffe, dass meine Arme den Aufprall am Baum gut abfedern. Nachdem ich mich weiter durch die Buschtunnel geschlängelt habe, lichtet sich kurz der Wald, bevor ich auf einem anderen Hügel in einem weiteren verschwinde.
Die Schillat-Höhle
Nach acht Kilometern erreiche ich die Schillat-Höhle. Sie liegt im Süntel, einer der für das Weserbergland typischen Bergstöcke. Die Schillat-Höhle ist eine von mehrerer Höhlen in einem Steinbruch, dessen erste Höhle bei Sprengungen am Riesenberg im Jahre 1969 entdeckt wurde. 1992 kam bei weiteren Sprengungen die Schillat-Höhle zu Tage.
Besuch der SCHILLAT-HÖHLE
Riesenbergstraße 2A
31840 Hessisch Oldendorf
Eintritt: 8,00 EUR
Die Schauhöhle der Schillat-Höhle kann nur im Rahmen einer Führung besucht werden. Die Touren finden in den Ferien von Dienstag bis Freitag nachmittags und am Wochenende ganztägig statt. Außerhalb der Ferien nur am Mittwoch und am Wochenende. Tickets können online auf der WEBSEITE DER SCHILLAT HÖHLE gebucht werden.
Ich setze meinen Sicherheitshelm auf schon bringt uns der Fahrstuhl 45 Meter tief in den massiven Berg hinein. Es ist ziemlich kalt hier und ich bin froh, dass ich einen Pullover dabei habe. Der Tunnel in dem wir uns gerade befinden war einst ein unterirdischer Fluss. Es gibt ihn wohl noch, doch vermutlich verläuft er jetzt noch tiefer unter der Erde. Der Tourguide erzählt uns allerhand über Stalagmiten und die Entstehung der Höhle.
Am Ende des ersten Tunnels führt ein Weg nach draußen. Ich trete in das gleißende Licht der Mittagssonne. Als meine Augen sich an die Helligkeit gewöhnt habe, blicke ich die steile Steinwand hinauf. Erst jetzt wird mir bewusst, wie tief im Berg wir eben noch waren. Als wir uns aufgewärmt haben, gehen wir in den Berg zurück und erkunden weitere Höhlen in denen Vitrinen mit fluoreszierenden Steinen und Fossilien stehen.
Plötzlich begegnet uns ein Mann in einem verdreckten Einteiler und Stirnlampe am Helm. Das ist Jürgen, ein Höhlenmensch quasi – oder Unter Tage Nerd. In seiner Freizeit gräbt er hier einen weiteren Tunnel, in der Hoffnung weitere Höhlen zu finden. Ein außergewöhnliches Hobby, aber an seinen strahlenden Augen sehe ich, dass es ihm außerordentlich viel Spaß bringt.
Weitblick vom Hohenstein Felsen
Nach einem kleinen Picknick am Wegesrand begebe ich mich zurück auf den Weserbergland-Weg. Sechs Kilometer weit geht es Hügel auf und Hügel hinab. Ich wandere an Bächen vorbei, die jetzt im Hochsommer kaum Wasser führen und durch Schatten spendende Wälder, bis ich schließlich vor einem Berg stehe. Es geht steil hinauf. In den Wanderweg sind Steinstufen gearbeitet. Gerade als ich zähle, wie viele Kilometer ich Flachlandindianer heute bereits bei drölfzig Grad im Schatten zurückgelegt habe und sich langsam das Ich mag nicht mehr-Gefühl einschleicht, hebe ich meinen Kopf und merke: ich bin oben angekommen. Ich habe die Spitze des Hohenstein Felsen erreicht.
Vor mir breitet sich ein wundervolles Panorama aus. Ich suche mir einen Platz ganz nah an der Kante und finde eine Steinkuhle in die mein Po ganz hervorragend hinein passt. Ich lasse mich rein plumpsen und genieße den fantastischen Ausblick.
Durch dichte Wälder entlang der Weser
Mein Morgen beginnt direkt mit einer ordentlichen Einheit Frühsport. Ich marschiere zum Bismarck Turm hinauf, der oberhalb der Stadt Bodenwerder liegt; die Stadt, aus der der Lügenbaron Münchhausen stammt.
Die schweißtreibenden Sporteinheit wird mit einem wunderschönen Ausblick über das Wesertal sowie die umliegenden Hügel und Dörfer belohnt. Ich gönne mir hier eine extra lange Verschnaufpause, bevor ich nach dem nächstgelegenen XW Wanderschild-Wegweiser suche, um wieder auf den Weserbergland-Weg zu gelangen. Sieben entspannte Kilometer habe ich für heute geplant.
Ich mache mich auf den Weg, als die Glocken ihre Schäfchen zum sonntäglichen Gottesdienst läuten. Mein Weg führt mich auf einem mit Kleeblättern verzierten Naturteppich vorbei an Maisfeldern, durch die der Wind leise rasseln. Kleine Gräser kitzeln mich an meinen Fußgelenken und die Blätter der Brennesseln hinterlassen rote Schlieren an meinen Beinen. Ich hätte eine lange Hose zum Wandern anziehen sollen.
Nach dem Überqueren einer Straße gelange ich einen noch viel dichteren Wald. Die Bäume sind wie im Urwald mit Efeu bewachsen und ranken sich bis hinauf in die Kronen.
Als der Wald wieder etwas lichter wird, klettere ich einen kleinen Hang hinauf. Oben angekommen stehe ich plötzlich auf einer riesengroßen Weide. Ein Wanderschild weist mir den Weg quer hinüber. Langweilig wird es auf dem Weserbergland-Weg nie.
Ich stolpere die eine oder andere Kuhle den Hügel hinunter bis ich am Ende auf den Weserbergland-Radweg gelange. Er führt direkt am Ufer des Flusses entlang. Auf einer Bank am Wegesrand mache ich eine kleine letzte Pause mit Blick auf das Fluss-Panorama, bis ich zum Parkplatz in Daspe gehe, an dem meine Wanderung endet.
Informationen und Tipps für deinen Ausflug ins Weserbergland
Anreisen & Rumreisen
Mit dem Auto erreichst du das Weserbergland über die umliegenden Autobahnen A2, A44 und A33 oder über die großen Bundesstraßen (B1, B64, B80, B83, B217). Von Hamburg aus sind es gut 200 Kilometer bis nach Hameln, von Berlin aus etwa 350 Kilometer und von Stuttgart knapp 500 Kilometer.
Das Weserbergland ist auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Von verschiedenen verschiedenen Fernverkehrsbahnhöfen wie Kassel, Göttingen, Minden, Bad Oeynhausen, Paderborn, Hildesheim oder Hannover aus fahren zahlreiche Regionalzüge, S-Bahnen und Busse durch die Region. Die Gastgeber des Weserberglands sind alle sehr gut miteinander vernetzt und organisieren teilweise untereinander Gepäck-Transporte von Wander-Reisenden. Zudem gibt es auch lokale Taxi-Unternehmen, die Gepäcktransfers anbieten.
Trotzdem würde ich eine Anreise mit dem eigenen Auto empfehlen, weil du einfach spontaner sein kannst und flexibler bist. Oftmals sparst du auch eine Menge Zeit, denn obwohl es Verbindungen mit Bussen gibt, dauert die Fahrt teilweise sehr lang und ist mit Wartezeit beim Umstieg verbunden.
Reisezeit
Grundsätzlich eignet sich das ganze Jahr für einen Kurzurlaub im Weserbergland. Es kommt auf deine persönlichen Vorlieben an. Ich liebe zum Beispiel das frische grün im Frühjahr, wenn das Schmuddelwetter vorbei ist und endlich wieder Blätter an den Bäumen wachsen. Im Sommer ist das Wetter beständiger und die Bäume in den dichten Wäldern spenden beim Wandern immer ausreichend Schatten. Wenn sich dann im Herbst das Laub färbt, sind vor allem die Ausblicke von den Bergen aus sehr schön bunt. Und im Winter gibt es tatsächlich Orte im Weserbergland an denen du Skifahren und Snowboarden kannst. Zudem gibt es schöne lange Rodelstrecken.
Der Weserbergland-Weg
Sämtliche Informationen zum Wandern auf dem Weserbergland-Weg findest du auf der OFFIZIELLEN WEBSEITE der Region. HIER kannst du zudem kostenlose Prospekte anfordern.
Für digitale Wander-Nomanden gibt es den WESERBERGLAND NAVIGATOR, in dem die einzelnen Etappen und Wanderwege mobil anzusehen sind.
Unterkunft
HOTEL-RESTAURANT SCHAUMBURGER RITTER
Burgstraße 2-4
31737 Rinteln
Preis: DZ ab 86,00 EUR
Während meines Aufenthaltes im Weserbergland habe ich im Schaumburger Ritter übernachtet. Ich kann mich kaum daran erinnern, wann ich das letzte Mal ein Einzelzimmer mit einem wirklichen Einzelbett gehabt habe. Das war ziemlich putzig, aber zum Schlafen reicht es durchaus. Besonders schön ist ein vorabendlicher Spaziergang zur Schaumburg hinauf. Von der Terrasse der Burg aus erlebst du ein traumhaftes Sonnenuntergangs-Panorama.
Das Weserbergland hat viele schöne Unterkünfte zu bieten. Eine Übersicht findest du: HIER.
Weitere Lektüre über das Weserbergland
- Wenn du vor oder nach dem Wandern noch Lust hast, eine Stadt im Weserbergland zu erkunden, lohnt sich eine Stippvisite in Hameln. Luise hat auf ihrem Blog Falubeli DIE SCHÖNSTEN SEHENSWÜRDIGKEITEN UND REISETIPPS über die Stadt des Rattenfänger zusammengestellt.
- Auch Tanja vom Reiseblog Takly on Tour war im Weserbergland wandern. HIER liest du, was Tanja auf ihrer Wanderung durch das Natuschutzgebiet Hannoversche Klippen zum Weser-Skywalk alles erlebt habt.
- Bist du ein Glamping-Fan? In Solling gibt es eine Baumhaushotel, das neben den Hüttchen in den Wipfeln auch Baumhauszelte als Übernachtungsmöglichkeit bietet. Was das für ein Abenteuer ist erzählt dir Luisa auf ihrem Blog SUNNYSIDE2GO.
Liebe Evelyn,
vielen Dank für diese tollen Einblicke in das Weserbergland. Das macht auf jeden Fall Lust die Gegen weiter zu erkunden. Herzlichen Dank auch für die Verlinkung in der Leseempfehlung.
Liebe Grüße,
Tanja
Liebe Tanja, ja – oder? Ich finde es ganz gut, dass Corona uns auch mal die nahe Gegend intensiver erleben lässt. Hab einen tollen Tag, Evelyn